Osttirol. Sprichwörtliche „Pampa“. Kulturelle Einflüsse aus der großen weiten Welt kommen erst Jahre später wenn überhaupt im Bezirk Lienz an. Landflucht. Vor allem junge Akademiker wollen weg oder kommen gar nicht erst wieder. Osttirol verödet und übrig bleibt die schöne Landschaft, vor allem die hohen Berge. Doch wenn das alles so wirklich stimmt: Warum bringt dann Osttirol in regelmäßigen Abständen so viele interessante Menschen und KünstlerInnen hervor?
Ich kenne Osttirol. Zum Glück möchte ich sagen. Denn ansonsten hätte ich wohl tatsächlich meine Arroganz gepflegt und gefestigt, die so mancher Nord-Tiroler den Osttirolern gegenüber hegt. Klein sei dort alles. Sehr überschaubar. Und die weite Welt würde noch mehr draußen bleiben wie es in Tirol ohnehin schon der Fall sei. Katholizismus, politische und kulturelle Enge seien an der Tagesordnung. Auch das sind Zuschreibungen, die Osttirol mal eben gerne schnell umgehängt werden.
Bedingt dadurch, dass meine Frau aus Osttirol kommt, konnte ich meine Vorurteile an der Realität überprüfen. Sie waren allesamt nicht haltbar. Vor allem eines überraschte mich aber zunehmend: Sehr viele bekannte und außergewöhnliche Leute haben Osttiroler Wurzeln. Warum das so ist? Nun, vielleicht ist es in dieser Hinsicht sinnvoll, erst einmal ein paar Namen ins Spiel zu bringen.
Dabei muss ich zugeben, dass meine Auswahl subjektiv ist und auch eine schwere Schlagseite in Richtung Kultur hat. Ich möchte daher meinen Blick zumindest offenlegen – damit mir nachher keine Klagen kommen. Ich bin mir bewusst, dass ich ein paar Leute vergessen habe. Vor allem Sportler. Ganz einfach weil mich Sport nicht wirklich interessiert. So ehrlich muss ich sein.
Bernhard Gander © Ingrid Götz Wolfgang Mitterer Bernhard Aichner Hans Salcher © Dolomitenstadt.at Jos Pirkner
Bekannte Gesichter aus Osttirol: Ja, es gibt sie. Und wie!
Als erste Person fällt mir jedenfalls definitiv Bernhard Gander ein, der 1969 in Lienz geboren wurde. Später studierte er dann am Tiroler Landeskonservatorium, einige Zeit danach verschlug es ihn zum Kompositionsstudium bei niemand geringem als Beat Furrer, der so etwas wie der Säulenheilige der „Neuen Musik“ in Österreich ist. Auch einen Abstecher nach Paris und Zürich hat Gander seither gemacht.
Besonders interessant bei seinem Schaffen ist, dass Bernhard Gander Unterscheidungen zwischen „E“ und „U“ geflissentlich ganz einfach nicht gelten lässt. Komplexeste musikalische Elemente aus der freitonalen Musik feiern mit Einflüssen aus dem Death-Metal in seinen Werken fröhliche Urstände. Mittlerweile lebt er in Wien und wird österreichweit als einer der interessantesten Komponisten seiner Zunft geschätzt und gelobt. Renommierte Festivals, die es sich leisten können seine Musik nicht aufzuführen, gibt es eigentlich nicht.
Ich weiß nicht wie es euch geht, liebe Leserinnen und Leser. Aber so wahnsinnig engstirnig wirkt Bernhard Gander mit seinen Osttiroler Wurzeln nicht auf mich. Eher im Gegenteil. Wohin es der Bua aus der vermeintlichen Provinz Lienz geschafft hat ist jedenfalls schon erstaunlich. Und mir fallen da noch einige Beispiele ein. Mir fällt ad hoc ein weiterer Komponist ein: Wolfgang Mitterer. Auch dieser erblickte in Lienz das Licht der Welt. Mittlerweile zählt er zu den wichtigsten Komponisten der Elektroakustischen Musik überhaupt. Auch hier hat´s ein Bua aus der Pampa in die große weite Welt hinaus geschafft. Und offenbar ist er kein Einzelfall.
Interessant ist außerdem, dass man Osttirol noch nicht mal verlassen muss um bekannt zu werden. Auch bei einem künstlerischen Schaffen in Osttirol reicht es gut und gerne für nationale Aufmerksamkeit. Hans Salcher ist da ein besonders schillerndes Beispiel. Mit wenigen Strichen schafft er es geschickt Bilder mit immensem Wiederkennungswert zu produzieren. Seine Gedichte, die er auch hin und wieder schreibt, sind wortkarg und rau und von einer unglaublichen Beobachtungsgabe geprägt. Keine Frage, dass Hans Salcher zuspitzen und konzis formulieren kann. Egal ob mit Pinsel oder Feder.
Selbst Red Bull wurde auf den Osttiroler aufmerksam – was zur Folge hatte, dass seine Bilder immens an Marktwert gewannen. Zu Recht wie ich sagen möchte. Denn mir fallen wirklich nicht viele Künstler ein, die einen so konsequenten Stil etabliert haben wie Hans Salcher. Salcher denkt dabei aber gar nicht daran aus Osttirol wegzugehen. Ganz so als würden ihn Land und Leute zu seiner Kunst erst inspirieren. Vermutlich ist es auch so.
Noch weitere Namen und Beispiele gefällig, dass Osttirol ganz offenbar ein fruchtbarer Boden für Künstler und außergewöhnliche Menschen ist? Nun gut: Ich schicke einfach mal den Bildhauer Jos Pirkner ins Rennen. Oder Bernhard Aichner, der zwar nicht in Osttirol geboren ist aber dort so gut wie seine komplette Kindheit verbracht hat. Das scheint ihm ganz und gar nicht geschadet zu haben, immerhin hat er sich in den letzten Monaten zu DEM Krimischreiber Österreichs und vielleicht sogar des deutschsprachigen Raums aufgeschwungen.
Osttirol prägt
Nun könnte natürlich all das Zufall sein. Und es wäre denkbar, dass diese Menschen trotz ihrer Herkunft und ihrer Osttiroler Wurzeln bekannt geworden sind. Ich glaube aber es verhält sich eher so, dass sie wegen ihrer Osttiroler Wurzeln so weit gekommen sind. Ganz einfach weil Osttiroler, und auch das weiß ich aus persönlicher Erfahrung, meist sehr heimatverbunden sind. Osttiroler benutzen ihre starken Wurzeln dazu um in der ganzen Welt Fuß zu fassen und zugleich fest am Boden zu bleiben. Anders gesagt: Ich behaupte, Osttiroler sind grundsätzlich bodenständige Leute mit einer gesunden Portion Skepsis und mit einem enormen Durchsetzungsvermögen. Für mich ist es keine Frage: Osttirol prägt. Und meiner Meinung nach sehr positiv. Diese Menschen zeigen es eindrucksvoll vor.
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Als gebürtiger O-Tiroler finde ich bei meinem alljährlichen Besuch bei Wanderungen auf den geliebten alten Pfaden immer wieder Inspirationen vor und begegne vielfach Menschen die geerdet sind.
Künstler, Freigeister, liebevolle Eigenbrödler und diejenigen, die einfach glücklich sind in so einer schönen Umgebung zu leben.
Mit zunehmendem Alter stelle ich an mir eine deutliche Veränderung fest, dieses Gefühl zunehmender Verbundenheit zu diesem schönen kleinen Land.
Das Land in dem ich aufwuchs, in dem ich so ziemlich jede Berghütte erwandert habe, das Land meiner strengen, aber dennoch inhaltlich sinnvollen Lehrzeit, die mich natürlich auch geprägt hat.
Zuverlässigkeit, präzises und sauberes Arbeiten und eine unglaubliche Portion Belastbarkeit haben aus mir einen Mann der sprichwörtlichen ResiLIENZ gemacht.
Ich vermute, es erging den oben erwähnten Menschen ähnlich und ihre weiteren Ent-wicklungsschritte zu dem wer sie heute sind, konnten sie aber nur im Ausland vervollständigen.
Es war notwendig sich diesen Feinschliff in den jeweiligen ErfahrungsWERTen in der Welt da draussen zu holen, um eine noch feinere Sichtweise auf seine „alte“ Heimat O-Tirol zu erhalten.
„Man entdeckt eine neue Welt, wenn man den Mut hat, die alte Welt zu verlassen.“
Herzlichen Dank
egon gander
Lieber Egon,
wir danken dir vielmals für deine Zeilen. Deine wohlüberlegten Worte verfügen über einen hohen Wahrheitsgehalt und haben eine immense Wirkung auf den Leser. Wir unterschreiben deine Meinung, dass der Mensch am besten wachsen kann, indem er seine Wurzeln für eine Weile verlässt, voll und ganz.
An dieser Stelle möchten wir ein Zitat von Stefan Zweig anführen:
– Wer einmal sich selbst gefunden, kann nichts auf dieser Welt mehr verlieren. –
Durch die Selbstfindung kann der Mensch in seinem weiteren Dasein auch so gut wie alles, das er sich vornimmt, schaffen. Die im Text angeführten Osttiroler Helden sind Beweis genug dafür. 😉
Herzlichste Grüße, dein Osttirol Team.