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Knödel statt Konten auf der Kerschbaumeralm

Knödel statt Konten auf der Kerschbaumeralm

Auf idyllischen Hochalmwiesen in 1902m Höhe inmitten der Lienzer Dolomiten liegt seit 1926 die ursprünglich gebliebene Kerschbaumeralm. Beate Moroder bewirtschaftet seit 2013 dieses beliebte Schutzhaus, bis dahin arbeitete sie in einer Bank im Zentrum von Lienz. Den Alltag von einem urbanen Arbeitsumfeld auf eine abgeschiedene Alm zu verlegen ist eine einschneidende Entscheidung, die für mich einige Fragen offen ließ. Ich hab mir die Antworten erwandert.

Der Weg zur Kerschbaumeralm

beginnt für mich beim sogenannten „Klammbrückl“. Ein Parkplatz auf 1104m Seehöhe, ca. 15 Minuten von Lienz entfernt. Richtung Pustertal folgt man 2km nach Leisach der Beschilderung Klammbrücke über Asphalt- und später Schotterstraßen. Dort oben beim Klammbrückl ist es laut. Hier rauscht der Bach wild durch den tiefen Fels, ein faszinierendes Innehalten und Staunen vor dem Losmarschieren. Bis zur Kerschbaumeralm dauert die Wanderung etwa 2 bis 2,5 Stunden, durchgehend begleitet vom sanften Rauschen des Kerschbaumeralm Baches. Mal sichtbar, mal unsichtbar für den Wanderer ist der Bach ein beruhigender akustischer Begleiter bis zum Ziel. Erst führen Weg oder Steig durch den wunderschönen Mischwald. Durch das Tal eröffnen sich immer neue, überraschende Perspektiven auf die umliegenden Lienzer Dolomiten. Ab dem sogenannten Depot, der Talstation für die Materialseilbahn zur Kerschbaumeralm, führt der Steig steil mit vielen Höhenmetern und Blick auf den Klettersteig „Verborgene Welt“ zur linken. Die letzten 15 Minuten wandert man über grünen, satten Almboden.

Bei Beate Moroder in der Alm.

Ich komme beseelt von der schönen Wanderung in der Alm an. Beate macht gerade einen Rundgang mit einer Wandergruppe aus Deutschland und nimmt mich gleich mit. Hier ist es urig und gemütlich, ein Ort mit Ausstrahlung. In der Küche wird hauptsächlich am Holzherd gekocht, überhaupt wird die Hütte mit Holz geheizt. Strom kommt nur vom Generator und das Licht wird deshalb bitte sparsam verwendet. In der originalgetreuen, wunderschönen Stube atmet man die Präsenz der Pioniere, sie stammt noch aus der Gründerzeit des über 90 Jahre alten Schutzhauses. Die holzgetäfelten Zimmer im ersten Stock haben spartanisch-bäuerlichen Charakter. Genauso stelle ich mir eine Alm vor. Die Wandergruppe entscheidet sich für das Bettenlager, weil genauso haben sie es sich eben vorgestellt auf einer Alm. Viele Wanderer übernachten hier. Die Kerschbaumeralm ist optimale Basis für Wander- und Klettertouren auf die umliegenden Berggipfel. Beate erklärt den Hausgästen in freundlich-resolutem Ton die Hausregeln.

Ich mach es mir vor der Hütte gemütlich und treffe Beates Bruder Otto mit seiner Frau Andrea und Hund Maya, die die Route vom Klammbrückl Richtung Insteinalm, Karlsbader Hütte und über das Törl zur Kerschbaumeralm genommen haben. Eine ambitionierte, vierstündige Wanderung. Hunger haben wir alle gleich. Hier wird „gescheit“ gekocht, es gibt warme Hausmannskost neben der obligatorischen Brettljause. Wir bestellen Rohnen- (Rote Beete) und Spinatknödel. Während ich den Knödeln beim Kochen am Holzherd zusehe, erzählt mir Beate.

Und ein Bisschen einen Vogel…

Wer nun eine grenzgeniale Aussteigergeschichte mit Burn-Out oder Schicksalsschlag zu hören erwartet, wird enttäuscht sein. Oder erleichtert und beeindruckt – so wie ich. Den Bank-Job aufzugeben und die Alm zu übernehmen, fügte sich für Beate einfach perfekt in ihr Leben. Sie war den Bergen schon immer tief verbunden und hatte zur Kerschbaumeralm schon immer eine besonders innige Beziehung. Als Kind hat sie hier mit ihrem Vater, Holzbildhauer Otto Moroder, viel Zeit verbracht. Sie schwärmt von vielen Besuchen auf der Alm, sogar mit ihrer erst wenigen Wochen alten Tochter hat sie den Weg auf sich genommen. Und ja, „Ein Bisschen einen Vogel muss man schon auch haben, wenn man sich so verändert.“, ist Beates einzig ausgefallene Antwort dazu.

Sie beerbt als Wirtin ihre Freunde und Nachbarn in der Stadt Lienz, Hansl und Barbara Wibmer. Die beiden haben 16 Jahre als legendäre Wirtsleute die Kerschbaumeralm geprägt. Beate passt gut in ihre Fußstapfen, sie ist eine geborene, gesellige Wirtin. Während des Gesprächs kann ich mich von ihrer herzlichen, energiegeladenen Gastgeberqualität überzeugen, die sie quirlig zwischen Küche, Schankraum und Terrasse hin und her springen lässt. Was aus ihrer Almküche kommt schmeckt herrlich, die Getränke sind ausgewählt und nicht klassischer Almdurchschnitt. Darauf einen Prosecco mit der Wirtin.

Hüttenmanagement, Seilbahnwirtschaft und endlich eine Dusche in der Hütte.

Managementwissen ist übrigens auch als Hüttenwirtin und nicht nur in der Stadt gefordert. Bei ihrem Antritt 2013 wurde vom ÖTK, dem die Hütte gehört, ein Umbau begonnen. Fertig geworden sind das Wirte-Zimmer und die Sanitäranlagen 2016. Bis dahin musste auch die Hüttenwirtin in einem kleinen Zubau außerhalb der Alm duschen. Das ist, bei all der hochgeschätzten Ursprünglichkeit, doch etwas mühsam. Unter Beates Obhut ist der Umbau nun fast abgeschlossen, und fügt sich stimmig in die urige Atmosphäre. Ein Bau-Projekt in dieser Lage ist herausfordernd und fordert eben Management. Das Baumaterial wurde mit der Materialseilbahn zur Hütte transportiert. Wie auch zweimal die Woche die Einkäufe während der Saison. Für die Seilbahn, die es seit 2011 gibt, ist ihr Bruder Otto Moroder verantwortlich.

Überhaupt erzählt Beate, dass es neben den Mitarbeitern nur durch die Unterstützung ihrer Familie hier auf der Alm funktionieren kann. Der Familienverbund ist offensichtlich. Lebensgefährte Christoph ist immer zur Unterstützung da, wenn es seine Zeit erlaubt. Er arbeitet, ja, in einer Bank in Lienz. Wenn Personalmangel herrscht, hilft ihre Schwägerin als gelernte Köchin im Freundschaftsdienst aus. Bruder Otto der Ingenieur ist Ansprechpartner für Praktisches. Die liebevolle, ursprüngliche Dekoration in der Hütte ist Stil und Gespür ihrer Tochter Verena zu verdanken. Auf der Alm herrschen ein anderer Rhythmus, andere Herausforderungen als im Tal. Auf dem Bankl vor der Alm strecke ich meine Beine aus und blicke auf die Gamswiesenspitze. Auch ein Grund, wieder zu kommen. Um mich herrscht geschäftiges Treiben sportlicher, lachender Almbesucher. Von hier oben gesehen bin ich überzeugt, Beate Moroder hat für sich und die Gäste der Kerschbaumeralm eine gute Entscheidung getroffen.

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