Nie im Leben. Kindheitserinnerung: brennende Brennnessel. Und Margit Steiner greift sie einfach an. Schneidet sie, pflückt sie, lässt sie durch die Finger in den Korb gleiten. Ob ihr das nix macht? „Das ist entzündungshemmend und fördert die Durchblutung“, lacht sie. Überhaupt hat sie als Bäuerin die Brennnessel längst für sich entdeckt. Fürs Kräutersalz, in den Salat, als Dünger, als Tee, im Brot. Das backt sie auch mit ihren Gästen, wenn sie Lust haben. Und wer bei ihr Urlaub am Bauernhof macht, hat meist Lust. Aufs Runterkommen ebenso wie aufs Misten im Kuhstall, auf die Wanderungen, auf kulinarische Entdeckungen – zum Beispiel aufs Brennnesselbrot. Am besten mit der selbstgemachten Butter.

Runterkommen in der Höhe
Dicht wachsen die Brennnesseln an der Steinmauer des Gerlhofs. Nur wenige Schritte vom Haus entfernt. Wobei, wer hier steht, staunt erst einmal über den Ausblick. Auf 1.360 Meter Höhe schweift der Blick über den urigen Holzzaun über die saftiggrünen Wiesen hinweg in den Lienzer Talboden, weiter Richtung Pustertal auf der einen, Richtung Kärnten auf der anderen Seite, hält inne beim Blick auf die schroffen Gipfel der Lienzer Dolomiten, wo selbst im Juni hier und da noch Schneefetzen liegen. So weit oben kann man sich so geerdet fühlen, Abstand gewinnen. Ein besonderes Lebensgefühl. Aber zurück zu den Brennnesseln.


Brennnesselbrot übers ganze Jahr
Während Margit sie pflückt – „50 bis 100 Gramm braucht’s für das Brot“ – erzählt sie von den vielen guten Inhaltsstoffen, vor allem Vitamin C, Mineralstoffe und Eisen. „Laut Hildegard von Bingen sollen die Samen sogar potenzfördernd wirken“, lacht sie. Nach der Schafgarbe seien die Brennnesseln ihr liebstes Kraut. „Sie sind einfach universell einsetzbar.“ Die Oma habe schon die wertvolle Jauche angesetzt und damit den Bauerngarten ebenso wie Balkonblumen gedüngt. Vollbiologisch würde man heute sagen. Margit verwendet meist die Blätter und den Samen. „Je älter der wird, umso nussiger schmeckt er“, weiß sie. Die Blätter für den Tee trocknet sie, frisch kommen sie auch in die Spinatknödel. Brennnesselbrot gibt’s das ganze Jahr über. Der Samen eignet sich getrocknet wunderbar zu Salaten, Müsli, Saucen und Kräutertopfen.


Kulinarische Entdeckungen auf dem Bauernhof
Skeptisch schaut da manch einer zu, wenn Margit mit dem Nudelholz über die Blätter walkt. Dabei springen die Brennhaare auf den Blättern auf, die brennende Wirkung von Kiesel- und Ameisensäure verfliegt. Übrig bleibt das gesunde Wundermittel. Und so kommt es, dass schon frühmorgens der Duft frisch gebackenen Brotes durchs Haus zieht. Der Teig ruht nicht länger als eine gute halbe Stunde, bevor Margit ihn zu kleinen Broten formt und in den vorgeheizten Ofen schiebt. Da bleibt ihr Zeit für den Stall, und häufig haben sie und ihr Mann Leo Hilfe von großen wie kleinen Gästen. Viele helfen beim Melken und Misten, sind dabei, wenn die Kühe vom Feld geholt werden, beim Füttern, sie packen beim Heuen mit an, setzen Kartoffeln, holen die Frühstückseier aus dem Stall. Sie genießen die körperliche Arbeit als Abwechslung zum Bürojob. Allen aber sind die kulinarischen Entdeckungen wichtig.
Das Heu in der Milch
Nicht nur, dass Eltern ihren Kindern zeigen wollen, woher das kommt, was zuhause beim Kochen verarbeitet wird. Wie zum Beispiel Milch produziert wird und wie sie frisch gemolken schmeckt. Margit erzählt von Gästen mit Laktoseintoleranz. Schluckweise hätten sie sich an die nicht-pasteurisierte und nicht-homogenisierte Milch gewagt. Ohne Beschwerden. „Das ist doch großartig“, sagt sie. Allein bei der Milch schmecke man die Kräuter, das Gras und das Heu heraus. Auch die Zutaten fürs Brot sind, wenn nicht vom eigenen Hof, zumindest aus der Region. Der Honig vom Nachbarn, das Mehl aus Leisach, die Zwiebeln aus Dölsach.

Nix Besseres als ein Butterbrot
Gerade kommen Gäste um die Ecke. Hoch zur Alm will die vierköpfige Familie wandern. Frisch aus dem Ofen schneidet Margit auf dem Tisch vor der Haustür eines der kleinen Brote auf, streicht Butter drauf, streut ein paar Brennnesselsamen darüber. „Probiert‘s mal“, sagt sie und freut sich, als sie die genussvollen Mienen sieht. Besser kann eine Wanderung gar nicht beginnen. Und enden auch nicht. Manchmal gibt’s einfach nix Besseres als ein Butterbrot. Mit Brennnesseln. Und vielleicht doch einmal selbst geerntet.
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Rezept zum Brennnesselbrot
Zutaten für 16-20 kleine Brote
- 2 Zwiebeln
- 30 g Butter
- 100 g frische, saubere Brennnesselspitzen/-blätter
- 700 g (Osttiroler) Dinkelfeinmehl
- 300 g (Osttiroler) Dinkelvollmehl
- 40 g Hefe
- 20 g Honig (vom Osttiroler Imker)
- 30 g Salz
- 750 ml lauwarmes Wasser
- Roggenmehl zum Wälzen (verbrennt nicht beim Backen)

Zwiebel schälen, klein würfelig schneiden und in Butter glasig dünsten. Dann die gewaschenen Brennnesseln mit Nudelholz bearbeiten und in Streifen schneiden, 2 bis 3 Minuten mit dem Zwiebel dünsten, abkühlen lassen.


Einen Hefeteig bereiten und zugedeckt an einem warmen Ort bis zum doppelten Volumen aufgehen lassen (ca 30 Min.). Den Backofen auf 200 Grad Umluft vorheizen, Backbleche mit Backpapier auslegen.

Die Zwiebel-Brennnessel-Mischung gleichmäßig unter den Teig kneten.
Teig in 16 bis 20 kleine Stücke teilen, in Roggenmehl wälzen und nochmals kurz aufgehen lassen.


Die kleinen Brote auf die Backbleche verteilen, 20 bis 25 Minuten backen.

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Danke für die guten Tipps. Das Brennesselbrot schmeckt ausgezeichnet!