Er schlägt am liebsten die leisen Töne an: Geigenbauer Werner Trojer hat sich nicht nur dem Fertigen neuer Instrumente verschrieben – aus Liebe zur Barockmusik restauriert er jahrhundertealte Gamben.
Er weiß es noch genau: Es war der 1. Jänner 2019 um acht Uhr morgens. An diesem Tag hat Werner Trojer die Fichte geschlagen, die ihm das Holz für den Geigenboden vor ihm geschenkt hat, auf über 1500 Meter Höhe. Wenn möglich, schlägt er sie nach dem Mond. Das Holz, sagt Werner, trocknet dann schneller, reißt weniger. In jedem Fall aber darf der Baum nicht mehr im Saft stehen. In den Wochen nach dem Fällen fließt der restliche Saft in die Wipfel – der Baum liegt kopfüber am Hang – und das Holz beginnt bereits zu trocknen.
Was folgt ist perfekte Un-Perfektion. Drei Geigen baut der 41-Jährige durchschnittlich pro Jahr. 70 Prozent seiner Arbeit ist Handwerk. „30 Prozent sind Gespür für die Feinarbeit und die Persönlichkeit des Instruments“, sagt er. Während der 220 bis 280 Stunden, die er an einer Geige arbeitet, geht es ihm nicht um die bauliche, sondern um die tonale Perfektion: „Der Klang darf nicht steril sein. Jedes Instrument hat seinen eigenen Klangcharakter und das sieht man ihm auch an. Es soll leben.“ Und die Freiheit, einem Instrument, seinen ganz persönlichen Schliff zu geben? „Die sind klein“, sagt Werner Trojer. Es sei ein sehr konservatives Handwerk, wie die Musik auch. „Das Modell kann ich selbst wählen und ich bin recht frei in der Innenausarbeitung, bei Einlegearbeiten oder Verzierungen.“ Allein an seinen Schnecken würde er seine Instrumente jedoch überall und sofort wiedererkennen.
Das Restaurieren eines Instruments dauert zuweilen ungleich länger: An der historischen Gambe, an der der gebürtige Südtiroler derzeit arbeitet, ist er seit anderthalb Jahren zugange. Sie gehört Jose Vázquez, der als Professor für Gambenmusik die weltweit größte Privatsammlung an historischen Gambeninstrumenten unterhält. Im 16. und 17. Jahrhundert als Vorläufer heutiger Streichinstrumente gefertigt, sind sie teils brüchig, teils zerfressen. Damit sie wieder gespielt werden können, versetzen Instrumentenbaumeister wie Werner Trojer sie zurück in den Originalzustand. Derzeit restauriert er eine Gambe aus dem Jahr 1726. Die verwendeten Holzarten – Fichte für die Decke, Ahorn für Boden und Zargen, nur selten kommt Pappel zum Einsatz – sind seit Jahrhunderten die gleichen. Und der Bogen? Hier sorgen Pferdehaare aus dem chinesischen Hochland, aus Sibirien und der Mongolei für den richtigen Ton. Nur mit Kolophonium, einem Baumharz versehen, werden sie auf den Bogen gespannt. „Mit Schweifhaaren vom Noriker des Nachbarn geht’s nicht“, lacht Trojer – er hat’s ausprobiert. Die Kälte sorge wohl für mehr Kraft und Widerstand in den Haaren. Und weil historische Instrumente natürlich mit Darm- und nicht mit Stahlsaiten bespannt werden, arbeitet er auch hier wie anno dazumal. Trojer lässt sie sich aus Venedig kommen oder aus der Nähe von Rom.
Die Freiheit in seiner Arbeit findet Werner Trojer eher im großen Ganzen: Er genießt es, dort arbeiten und leben zu können, wo seine Wurzeln sind. Der berufliche Weg führte ihn über Wien und Hallstatt im Salzkammergut zurück nach Süd- und Osttirol. Seine Werkstatt ist gepachtet und die hat ihm übrigens der Postbote vermittelt. Selbst Geige spielend, wusste der einen wunderbaren Platz für Werner Trojer: ein alter Hof in Strassen, in dem ihm drei Zimmer für seine Arbeit zur Verfügung stehen. „Es muss eben ein altes Haus sein“, sagt er. „Ich arbeite viel mit alten Instrumenten, da ist einfach der Bezug da.“ Glück ist für ihn auch, dass er gar nicht mehr so viel reisen muss: Während er früher viele Instrumente abholte, werden sie ihm nun gebracht, zum Überprüfen oder zum Restaurieren. „Es ist auch schön zu wissen, dass meine Geigen, Celli und Bratschen gespielt werden.“
Und was die Zukunft bringen darf? Von einer eigenen Werkstatt träumt Werner Trojer. „Und davon, dass ich bis zum Schluss vom Instrumentenbau leben kann.“ Es sei einfach faszinierend, Instrumente sowohl zu bauen wie zu restaurieren. „Wenn es so weitergeht, ist es super.“ Nicht nur seine Kunden können übrigens auf einer echten Trojer-Geige den Bogen ansetzen. Gambensammler Jose Vázquez sammelt die historischen Streichinstrumente nicht nur. Weil es ihm wichtig ist, dass sie auch gespielt werden, gibt der Professor für Viola da Gamba auf Schloss Duino nahe Triest auch Unterricht. Einen schöneren Platz, um barocke Musik mit diesen Instrumenten zu spielen, gibt es kaum. Und wer Glück hat, musiziert auf einer restaurierten Gambe von Werner Trojer.
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