Wer aus Osttirol kommt, hat schon mal gute Grundvorraussetzungen ein anständiger Skifahrer zu werden. Darunter gibt es aber manche, denen eine schwarze Piste bald einmal langweilig wird. Sie suchen sich neue Abfahrtsziele und finden sie in den Steilwänden und Rinnen der Berge. Einer dieser Steilwandskifahrer ist Thomas Gaisbacher, zuhause in Debant, aber meistens in den Bergen unterwegs. Seit er im Alter von 3 Jahren von seinem Vater auf die Ski gestellt wurde, sind das die Bretter, die die Welt für ihn bedeuten.
Herr Gaisbacher, vielen herzlichen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Interview genommen haben. Ist Ihnen das Fahren auf Pisten zu langweilig oder warum mögen Sie es lieber steil?
Das Fahren auf der Piste ist schön und auch sehr wichtig für die Erlernung dieser Sportart, aber das freie Gelände ist doch eher das, was mich reizt. Durch unberührte Pulverhänge zu pflügen, das Unbekannte zu entdecken, in Gebirgsketten und auf Bergen unterwgs zu sein, die normalerweise Unzugänglich sind. Das ist es, was mich am Freeriden so reizt.
Wissen Sie noch was die erste Steilwand war, die Sie je befahren haben?
Da ich schon soviele Steilwände befahren habe, weiss ich es leider nicht mehr genau. Aber ein sicher sehr prägendes Erlebnis am Anfang meines Tuns war die Befahrung der Pallavicini Rinne am Großglockner.
Wie darf man sich eine Befahrung mit Thomas Gaisbacher vorstellen? Sie sehen eine interessante Steilrinne und marschieren einfach los oder bedarf es doch etwas mehr Planung?
Man hat so seine Projekte im Kopf von Befahrungen, die bereits gemacht wurden oder von gewissen Bergen, die einen mit ihren unglaublichen Flanken locken. Hier gibt es bereits Führerliteratur und alle möglichen Daten. Man muss nur auf den richtigen Moment warten, was soviel heißt, wie: schauen, wann passt der Schnee und wann lässt die Lawinensituation eine Befahrung zu.
Doch dann gibt es die Berge und Linien, die noch nie jemand mit Skiern gefahren ist. Hier braucht es eine Vielzahl an Informationen, die eingeholt werden müssen. Die Vorbereitungsphase ist daher sehr lang und es kann auch schon mal Jahre dauern bis eine Befahrung funktioniert.
Wie schaut die typische Tourenvorbereitung bei Ihnen aus?
Typische Tourenplanung ist für mich das Einholen aller möglicher Informationen über Wetter, Wind, Temperatur und Schneemengen. Jeder einzelne Punkt unterteilt sich in viele verschiedene Aspekte, wie z.B. bei der Temperatur: wie ist die Temperatur in der Nacht, wieviele Tage war es durchgehend kalt und wieviel Grad unter 0. Auch die Tageserwärmung spielt eine Rolle.



Kann man das Befahren steiler Hänge irgendwie trainieren oder ist das einfach Talent?
Das Steilwandfahren ist die Königsdisziplin. Sie verbindet mehrere Sportarten zu einer. Also das Können ist nicht nur auf das Skifahren begrenzt, im Gegenteil. Es ist eine Mischung zwischen Bergsteigen und Skifahren. Wenn die einzige Rückzugsmöglichkeit die mit Skiern ist, wird es sehr gefährlich. Es ist ungefähr so wie beim Freesolo Klettern – die Fehlertoleranz ist sehr klein, aber die Auswirkungen sind sehr groß.
Haben Sie auch schon Erstbefahrungen von irgendwelchen Steilwänden gemacht?
Erstbefahrungen hab ich schon viele gemacht. Allein vor zwei Jahren, als wir in Osttirol einen schneereichen Winter hatten, konnte ich 10 Erstbefahrungen auf meinem Konto verbuchen. Bei meinen Linien lege ich sehr viel Wert auf die Art der Befahrung. Kein Abseilen und kein Fahren am Seil. Auch die Flüssigkeit der Befahrung liegt mir sehr am Herzen. Das bedeutet, kein dauerhaft seitliches Rutschen. Wir sind ja Ski“Fahrer“ keine Ski“Rutscher“.
Benützen Sie dafür spezielles Material oder fahren Sie mit Skiern, wie jeder andere auch?
Die Skier, die ich fahre, sind im Handel normal erhältlich und kommen von Black Diamond, ausgestattet mit einer Skibindung von Marker. Je nach Schneequalität variiert aber die Länge und die Breite der Skier.
Was macht das Skifahren so besonders für Sie?
Das Eintauchen in diese wunderbare verschneite Natur und die Stille. Keine Regeln, keine Gesetze, nur die der Natur. Die Gefühle hierfür in Worte zu fassen ist schwierig. Für mich ist Skifahren nicht nur eine Sportart, es ist viel mehr ein Lifestyle, eine Lebenseinstellung. Denn was bedeutet eigentlich „Freeriden“? „Free“ heißt „Frei“ und „riden“ bedeutet „Fahren“. Und für mich bedeutet das, ich kann Fahren wo immer ich nur möchte, frei sein und das Tun zu können worauf ich Lust habe!
Können Sie von dem was Sie machen leben oder gibt es auch noch einen Thomas Gaisbacher mit einem Brotberuf?
Die Sponsoren, wie zum Beispiel Parmula oder Smith, um nur zwei zu nennen, ermöglichen mir die Ausübung meiner Sportart. Sie unterstützen mich bei meinen Projekten und lassen mich auch rund um den Globus reisen. Meinen Lebensunterhalt verdiene ich mir aber als selbstständiger Sonnenschutz Monteur und Ski- und Bergführer.
Vielen Dank an Thomas Gaisbacher für das Interview.
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