Osttirol ist Wanderland. Weit über die Grenzen hinweg hat sich Osttirol mit seinen über 2.500 km Wander- und Weitwanderwegen einen Namen gemacht. Nicht weniger bekannt sind die über 150 Alm- und Schutzhütten, die als Wanderziel, schützender Unterstand oder einfach zum Kraft- und Energie tanken geliebt und geschätzt werden. Bei einer Hütteneinkehr kann man, mit den Bergen im Rücken, der Sonne im Gesicht und der Welt unter den Füßen, vom Trubel im Tal einmal so richtig Abstand gewinnen. So sollte es eigentlich sein.
Es hat sich aber in den letzten Jahren einiges geändert, sodass der Betrieb einer Hütte – vor allem in den höher gelegenen Regionen Osttirols – eine echte Herausforderung geworden ist. Viele Wandergäste stehen auch im Urlaub oder in ihrer Freizeit unter Spannung, es scheint so, als hätte man sogar für sich selbst überhaupt keine Zeit mehr und hört auch nicht mehr auf sich selbst. Die leistungsorientierte Gesellschaft ist geprägt durch Stress und Leistungsdruck. Dabei vergisst man schon einmal, dass durch diese Anspannung nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch der Zugang zur Natur und somit der Zugang zu den eigenen Wurzeln auf der Strecke bleibt. Dies ist dann auch oftmals die Ursache, mit sich selbst und mit anderen nicht zufrieden zu sein, denn der Eindruck entsteht, dass die Begehrlichkeiten nicht ernstgenommen und auch nicht befriedigt werden. Durch die Unzufriedenheit werden auch die Forderungen und Wünsche mehr – ein wirklicher Strudel beginnt sich hier zu drehen. Dass man aber aus wenig ganz viel machen kann, zeigt Marco Steiner und seine Familie auf der Badener Hütte.
Marco Steiner, ein gebürtiger Prägratner, betreibt schon seit 2009 die Badener Hütte. Zur Unterstützung in allen Belangen stehen im seine Lebensgefährtin Verena, seine beiden Kinder Sophia und Benjamin und seine Eltern tatkräftig zur Seite. Marco hat schon seit frühester Kindheit das Hüttenleben begeistert, ist er doch bei seinem Onkel auf der Bergerseehütte in der Lasörlinggruppe schon mit 6 Jahren zur „Lehre“ gegangen. Jetzt betreibt er seit 15 Saisonen die Badener Hütte – mit viel Liebe und Leidenschaft, aber auch Fleiß und Anstrengung.
Die Badener Hütte ist unter den Top 3 der am schwierigsten zu bewirtschaftenden Schutzhütten der Kategorie I im Nationalpark Hohe Tauern. Sie ist von der ÖAV Sektion Baden bei Wien vor über 110 Jahren errichtet worden und liegt nur einen Steinwurf von der Kernzone des Nationalparks Hohe Tauern entfernt. Die Hütte ist funktionell, auf das Wesentliche reduziert, ausgestattet. Der Psychologe Abraham Maslow würde sagen: „Von der Erfüllung der Grundbedürfnisse bis zur Selbstverwirklichung hat alles seinen Rang.“
Die Zustiegszeiten vom Tal oder von den Nachbarhütten liegen zwischen 5 und 7 Stunden, kein Aufzug und kein Taxishuttle kürzen das Pensum. Die Hütte liegt an einer Vielzahl von Weitwanderwegen, wie dem Venediger Höhenweg, dem Osttiroler Adlerweg oder dem Gaßla Anda Weg. Seit ein paar Jahren führt auch der Weitwanderweg vom Königsee zum Gardasee an der Hütte vorbei.
Man trifft in der Regel auf der Hütte den typischen Bergwanderer und Bergsteiger – meist pflegeleicht und bei kleinen Aufmerksamkeiten schon „euphorisch“. Aufgrund der langen Zustiege sind Tagesgäste eher selten, aber es gibt sie. Die umliegenden Berggipfel sind dann zumeist lohnende Kulisse und Tagesziele. Die Hütte ist auf die Begehbarkeit der Übergänge angewiesen, deswegen auch zumeist nur zwischen Anfang Juli bis Mitte September geöffnet.
Die Herausforderungen, mit denen Marco konfrontiert ist, sind vielfältiger Natur. Beginnend mit der Lebensmitteleindeckung und die laufende Versorgung der Hütte. Die Ersteindeckung passiert zumeist Ende Juni und wird Hubschrauber unterstützt. Es fallen immer so um die 4 Tonnen an Fleisch, Käse, Eier, Mehl, Nudel, Kartoffel und natürlich Bier und sonstige Getränke. Nachschub und Frischware wird dann laufend über einen 12,5 Kilometer langen Almweg angefahren und die letzten 400 Höhenmeter mit einem geländegängigen Motorrad (einer Trial) von Marco auf die Hütte bugsiert. Schon im zarten Alter von 12 Jahren durfte er so geartet die Hütte seines Onkels beliefern. Zumeist wird das Trockenlager laufend aufgefüllt, dies bleibt es auch über den Winter. Das erleichtert das Aufsperren immens. Ab Mitte August muss genauestens und vorausschauend beliefert werden. Es blutet nämlich das Herz, wenn die mühsam transportierten, zumeist verderblichen Lebensmittel wieder unbenützt ins Tal gebracht werden müssen. Bei Hüttenschluss wird natürlich „klar Schiff“ gemacht und alles, was nicht schon mit dem Motorrad talwärts gebracht wurde, mit dem Hubschrauber einer geordneten Entsorgung zugeführt.
„Arm ist nicht, wer wenig hat,
sondern wer viel braucht.“
Peter Rosegger
Natürlich macht der Klimawandel auch auf 2.608 Metern keinen Stopp. Wasser kann ab August knapp werden. Auch die Wegvarianten ab der Hütte können schon mal in Gegenden mit mehr oder weniger Permafrost führen. Die markierten Wege sind in der Regel als „rot“ eingestuft, teilweise mit kurzen, seilversicherten schwarzen Passagen, wo es immer wieder zu Fels- und Erdrutschungen kommt.
Die Energieversorgung hängt ebenso von mehreren Faktoren ab. Die Hütte wird autark geführt. Ein Wasserkraftwerk liefert Strom, solange der See ordentlich gefüllt ist. Als verlässlicher Stromlieferant hat sich die Photovoltaik erwiesen. Sie kann bei Wasserknappheit den durchschnittlichen Tagesbedarf abbilden. Nur für die Spitzen am Abend muss das Wasserkraftwerk gestartet werden. Ganz selten genutzt – aber dennoch als letzter Retter in der Not – muss ein Dieselaggregat herhalten. Das Warmwasser ist ausreichend vorhanden, sowie die Sonne die Photothermie betreiben lässt. Ansonsten müssen die Boiler anders versorgt werden, notfalls kalt bleiben. Der Luxus einer Dusche konnte bisher aufrecht erhalten bleiben. Der Küchenherd wird mit Gas betrieben. Für die Küchengeräte muss die endliche Ressource Strom genau eingeteilt werden. Das Trinkwasser kommt direkt aus dem See. Es wird technisch behandelt, geht durch eine Filteranlage und wird schlussendlich auch noch UV behandelt. Alles Wasser in der Hütte ist somit keimfrei. Brauch- und Grauwasser geht über eine 2-stufige Kläranlage.
Dank einer Aktion, ausgehend vom DAV, befassen sich immer mehr Wandergäste durchaus mit der Logistik, die hinter ihrem Hüttenaufenthalt steckt. DAV, ÖAV und Nationalpark Hohe Tauern propagieren erfolgreich auf der Angebotsebene „ein Weniger ist Mehr“. Es gibt einfach nicht alles und die Gäste akzeptieren dies zum Großteil. Umso überraschter sind sie über die vielen Kleinigkeiten, die dann doch möglich sind bzw. individuell möglich gemacht werden. Es gibt keine ausgefallenen Wünsche, was nicht geht, geht eben nicht. Es ist auf der Badener Hütte schon seit Jahren obligatorisch, dass ein Menü am Abend vegetarisch angeboten wird. Auf Unverträglichkeiten und Allergien wird lösungsorientiert eingegangen, ebenso bei veganer Verpflegung. Fehlendes WLAN und zum Großteil auch fehlende Mobilnetzabdeckung gehören hier ebenfalls zum Verzicht – dafür kann man sich voll und ganz mit sich selbst und den Weggefährten beschäftigen. Und das Teilen des Schlafraumes mit dem oder der Schnarcher:in fällt ebenso unter Verzicht, zumal das abwechselnde Schnarchen in Dur und Moll Akkorden auch beruhigend wirken kann.
Auf der Badener Hütte, wie auch auf vielen anderen Hütten in den Osttiroler Bergen, lernen Hüttenwirte und Gäste ganz bewusst, zu verzichten und reduziert zu leben. Wahlmöglichkeiten gibt es oft aus logistischen Gründen nicht. Deshalb der Appell an alle Hüttenbesucher:innen, das Bestehende zu akzeptieren und zu schätzen, damit wir alle noch lange von der Schönheit, der Einfachheit und der Besonderheit der Osttiroler Hütten haben.
Ich war als junges Mädchen auf der Badener Hütte, das muss in den frühen 1980er Jahren gewesen sein. Dann noch einmal 1992. Jeweils Aufstieg aus Gruben, Abstieg über das Löbbentörl zum Innergeschlöss – die Wege gehören zu dem schönsten Erinnerungen meiner Jugend. Es wird Zeit, dass nun im reiferen Alter mal wieder anzugehen. Ich freu mich, wenn es bald wieder klappt 😊
Liebe Ute, wie schön, dass du so schöne Erinnerungen an Osttirol hast! 😍 Wir freuen uns, wenn du bald mal wieder zu uns kommst. Bis hoffentlich bald!
Werde die Badener Hütte nächsten Sommer in meine Wanderungen einbeziehen.
Toller Artikel im Osttiroler Berggeflüster.
Alles Gute bis zum nächsten Jahr.
Zu zweit waren wir 2010 währendeiner Wanderung von der Elberfelder Hütte zur Barmer Hütte dort über Nacht. Eine sehr gemütliche Hütte. Gute Verpflegung. Die Wege waren seinrzeit gut begehbar bis auf eine kurze ausgesetzte Passage. So st stellenweise versichert.
Wir waren auch 2017 dort, war super, wie eigentlich alle Hütten auf dem Osttiroler Adlerweg! Ein riesiges DANKE an die Hüttenwirte!
Liebe Christine, schön zu hören, dass du auch schon da warst. Wir hoffen, du schaust bald wieder bei uns vorbei! Dein „Danke“ geben wir sehr gerne an unsere wirklich sensationellen Hüttenwirte weiter.
Waren 2017 auf der Hütte,schon damals super nett und super freundlich