Wenn ein 21-jähriger von Ehre spricht, dann hört man irgendwie genauer hin. Wie kommt man in dem Alter darauf, was bedeutet das überhaupt und was genau hat es damit auf sich? Alles Fragen, die Philip Holzer uns beantwortet hat, als er von seiner großen Leidenschaft, dem „Ranggeln“ erzählt hat.
Für alle, die bei dem Wort „Ranggeln“ erst einmal verwirrt die Augenbrauen zusammenziehen, eine kleine Einführung: Es handelt sich dabei um eine keltische Ringsportart, die sich vom griechisch-römischen Ringen durch das Tragen bestimmter Kleidung unterscheidet. Keltische Ringsportarten sind daher seit der keltischen Hochkultur in ganz Europa verbreitet.
Wer sich nun mystische Kämpfe im Zwielicht des Tages vorstellt, liegt gar nicht so weit daneben. Die erste Kämpfe, die um 1390 stattgefunden haben sollen, gehörten zur guten Ausbildung der Ritter genauso dazu wie das Fechten. Für die Bauern ging es dabei nicht um die Ausbildung, sondern um knallharte Verhandlungen, wurde doch durchs Ranggeln festgelegt, welche Alm von wem bewirtschaftet wurde und auch der Brautwerbung war ein gutes Ranggelergebnis äußerst dienlich.
Der Kampf wird dabei in einem Ring von circa 20 Meter Durchmesser ausgetragen und am liebsten ranggeln wahre Ringer wohl auf Rasen, notfalls tuts aber eine Halle oder eine Matte auch. Der Kampf ist dabei einer der fairsten unter den Zweikampfsportarten, denn Würgegriffe, Hebeltechniken, Schmerzgriffe, beißen, schlagen, zwicken und mit den Beinen treten, sind strengstens verboten. Nach fünf Minuten bei Schülern und sechs Minuten bei Erwachsenen ist der Kampf dann ausgetragen und als Sieger geht derjenige hervor, der zuerst seinen Gegner mit beiden Schulterblättern gleichzeitig am Boden hat. Für wen das trotzdem nach einer wilden Angelegenheit klingt, den muss man auf die Eleganz der Bewegungen und die im Vordergrund stehende Sportlichkeit hinweisen. RangglerInnen sind schließlich Ehrenmänner und -frauen.
So viel sei vorausgeschickt, wenn man Philip Holzer und seine Passion verstehen will. Er „ranggelt“ seit seinem dritten Lebensjahr und seit 16 Jahren ist er aktives Vereinsmitglied. Die Liebe für den Kampfsport wurde ihm quasi in die Wiege gelegt, ist doch der Vater Ranggeltrainer.
Wenn Philip übers Ranggeln redet, dann klingt das ungefähr so:
„Was den alten Römern ihre Arenakämpfe waren, sind uns Iseltalern die Ranggler. Da steht man sich von Angesicht zu Angesicht auf einer Wiese gegenüber, man weiß, dass der andere genauso ein Kraftpaket ist, man kennt sich, man schätzt sich. Die Berge geben einem Kraft und Ruhe, es ist etwas ganz Besonderes in so einer Kulisse zu kämpfen, auch wenn man die während dem Kampf nicht wahrnehmen kann, weil man zu 100 % konzentriert ist auf den anderen auf jede noch so kleine Bewegung. Was wird der andere wohl als Erstes versuchen? Was ist mein erster Schritt? Die Stimmen aus dem Stadion werden ganz leise und es fühlt sich alles unwirklich und weit weg an. Dann kommt endlich der Anpfiff und man klatscht sich eilig mit der rechten Hand ab. Schnell, kraftvoll und äußerst geschickt, geht man in den Kampf, bis einer mit beiden Schultern auf dem Boden liegt und zum Schluss nur ein Einziger übrig bleibt, der „Hogmoar“.
Für Philip hat das Ranggeln deshalb etwas mit Ehre zu tun, weil es für ihn eine ehrliche Weise ist, seine Kräfte zu messen. Und das tut er von Mitte April bis Oktober an jeden zweiten Sonntag. Am schönsten ist es für ihn, wenn er in der freien Natur drauflos ranggeln kann. Die Szenerie in Osttirol mit den atemberaubenden Ausblicken ist dabei genau die richtige Kulisse für ihn, denn die Berge und die Natur geben ihm viel Energie und Ruhe. Genau das, was ein überlegter Ranggler im Kampf braucht.
Die Ranggel Tradition in Osttirol
In Osttirol wurde früher hauptsächlich an Markttagen und Kirchtagen geranggelt. Veranstaltungsorte waren neben Matrei noch Lienz, Ainet, Huben und Virgen. Der erste Verein wurde in den 60iger Jahren in Matrei gegründet und 1963 als Sektion in die Union Matrei eingegliedert. Es gab schon vor Philip ganz große Ranggler in Osttirol, so klingt seine Stimme ganz ehrfürchtig, wenn er von den Gebrüdern Steiner und Berger Waldner und den „Brenner Manda“ spricht. Aus den „Brenner Manda“ geht übrigens auch Franz Holzer, sein Papa hervor. Er kümmerte sich als Sektionsleiter um das Fortbestehen der Tradition, denn zu dieser Zeit waren nur mehr vier aktive Sportler als Ranggler vertreten.
Doch mit gezielter und konsequenter Trainingsarbeit begann der ,,Bäck Franz“ im Turnsaal der Volksschule St. Johann i.W. mit dem Rangglertraining, und sein Einsatz war mit Erfolg gekrönt, denn die Ranggler haben überlebt und erfreuen sich über zahlreiche Mitglieder. Zurzeit hat die Sektion Ranggeln über sechzig Mitglieder. Davon Aktive: 15 Schüler , 15 Jugendliche und 15 Erwachsene aus mehreren Gemeinden. Osttirols Ranggler sind seit zwölf Jahren die beste Vereinsmannschaft des gesamten Alpenraumes (Salzburg, Nordtirol, Bayern und Südtirol).
Wenn Philip so erzählt, dann leuchten seine Augen und man kann gut verstehen, warum sein Herz für das Ranggeln schlägt. Solange es Hogmoare wie ihn gibt, die mit solchem Feuereifer für die Sache leben, wird sich der Verein wohl keine Sorgen über sein Fortbestehen machen müssen. Schön, dass eine so alte Tradition das Herz eines jungen Menschen so zum Brennen bringt.
Familiensache – Tradition – Ehrensache
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