Museumsleiterin Margarethe Oberdorfer zeigt mit dem Finger auf einen Wattebausch: „Das sind die kleinsten Exponate im Museum“, erklärt sie. Einen Wattebausch im Museum ausstellen? Okay, kann man machen. Erst wer genau hinsieht, bemerkt, dass nicht der Wattebausch das Ausstellungsstück ist, sondern vier kleine Reiter auf Pferden, die auf das flauschige Weiß gebettet sind. „Diese Arbeiten wurden mit ruhiger Hand unter einem Mikroskop geschnitzt“, weiß Oberdorfer. Mit dem Miniaturmuseum, das sie 2024 im Kulturhaus Dölsach eröffnet hat, erfüllt sich Oberdorfer einen Lebenstraum. Die Vitrinen mit über 3000 Ausstellungsstücken bergen eine Welt voller wunderbarer Geschichten und erzählen auch Oberdorfers persönliche Geschichte.
Wie alles begann
Ihr Heimatdorf Oberlienz ist landschaftlich von sogenannten „Feldgröfelmauern“ geprägt. Das sind Mauern, die aus Geröll und Steinen aus den angrenzenden Feldern aufgeschichtet wurden. In Ihrer Kindheit galt: Wollte man von A nach B kommen, ging man nicht durch das hohe Gras, das bald geschnitten werden sollte, sondern balancierte über die Trockenmauern.
Als die kleine Margarethe eines Tages über eine dieser Mauern hopste, entdeckte sie vor sich einen schönen glatten Stein, der eine überproportional große Fläche von „Katzensilber“ (Muskovit) umschloss. Sie hatte noch nie etwas soooo Schönes gesehen. Es kam ihr vor wie ein Wunder, dass sie ihn mitten in den Feldern von Oberlienz gefunden hatte. Er wirkte so weich und rund, zugleich schwer und unzerbrechlich. Seit diesem Tag hielt sie immer Ausschau und war stets wachsam, ob sie noch einmal so ein so einzigartiges Exemplar finden würde. Dieses Erlebnis, sowie das Schwere und Unzerbrechliche des Steins haben Margarethe nie wieder losgelassen.
Von ihrem ersten Gehalt als Lehrling erstand sie – vor ihrem geistigen Auge den wunderbaren Katzensilber-Stein – einen blauen Aragonit. Das ist über 50 Jahre her und markiert den Beginn von Margarethes Sammelleidenschaft.
In den kleinen Dingen des Alltags verbergen sich oft große Taten
„Mir geht es darum, den Wert von kleinen Dingen in unserem Alltag hervorzuheben, wenn sie auch manchmal unscheinbar wirken“, erklärt die Museumsleiterin. In ihrer originellen und umfassenden Sammlung findet sich internationale Kleinkunst, Handwerkliches und Natürliches. Oberdorfer hat ein Faible für verschiedene Materialien. „Aus Tafelkreide könnte man beispielsweise schon im Kindesalter die schönsten Schnitzereien fertigen. Metall lässt sich als Drahtgerüst einsetzen oder flach walzen. Aus Holz entsteht womöglich die kunstvolle Einrichtung für ein Puppenhaus“, erklärt die Künstlerin. In der Ausstellung findet man auch textile Kunst aus Schafwolle, Baumwolle oder Seide.
Schenkungen bereichern eigene Sammlung
Menschen, die das Kleine ebenso schätzen wie sie, überlassen Oberdorfer zahlreiche Objekte als Schenkungen oder Leihgaben und ergänzen damit das Panoptikum. Letzthin erhielt sie eines der kleinsten Bücher der Welt. Es erzählt ein Stück Tiroler Geschichte. Das Buch verwahrt sie in einer mit rotem Stoff ausgekleideten Schatulle. Auf einem Maß von 5×5 Millimeter (!), also einem einzigen Karo von kariertem Papier, wurde anlässlich der Olympischen Spiele 1964 der olympische Eid abgebildet. Sieben Sprachen, sieben „Blätter“. Mit einer Lupe lässt sich der Text problemlos lesen.
Keramikkunst auf höchstem Niveau
Seit dem Tag als Klein-Margarethe den Stein mit eingeschlossenem Katzensilber fand, ist viel Zeit vergangen. Die Eigenschaften begeistern sie als Keramikkünstlerin noch heute. Denn in der Keramik wird aus etwas Weichem wieder etwas Hartes gemacht. Weit über die Grenzen Osttirols bekannt sind ihre „kopflosen“ Figuren, ein kleiner Teil davon ist im MiMu ausgestellt. Mit diesen Figuren erzählt sie beispielsweise die leidvolle Geschichte über die Vertreibung der Protestant*innen aus dem Defereggental 1684/ 85, unlängst ausgestellt im Rahmen der Osttiroler Museumstage in der Liebburg Lienz.
Staunen und Entdecken
Neben dem Angebot, zu schauen, zu staunen und zu bewundern, will das MiMU mit den persönlichen Geschichten zu den Ausstellungsstücken den Besuchern einen besonderen Zugang zu den kleinen Werken ermöglichen. Diese Geschichten können durch das Museum dokumentiert werden, damit das Wissen über die Werke und die Menschen dahinter nicht verloren geht und der Wert der kleinen Dinge nicht vergessen wird.
Alle aktuellen Informationen zu Öffnungszeiten und Preise findet ihr hier.
Tipp: Jeden Donnerstag ab 19:00 Uhr gibt es Abendführungen mit Voranmeldung.
Sehr interessant!
Das finden wir auch, liebe Susanna! 😊