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Christina Obwexer im Interview: Berge, Barrieren & Visionen

Christina Obwexer im Interview: Berge, Barrieren & Visionen
© Christina Obwexer

Im Gespräch mit Christina Obwexer über ihre inspirierenden Projekte und ihr Engagement

Matrei in Osttirol bildet das Herz des Nationalparks Hohe Tauern. Mit dem Tauerntal und dem Iseltal ist die Gemeinde nicht nur für seine beeindruckende Natur bekannt, sondern auch für inspirierende Persönlichkeiten wie Christina Obwexer. Nach einem schweren Autounfall im Jahr 2004, der ihr Leben für immer veränderte, hat sie sich nicht unterkriegen lassen. Heute ist sie leidenschaftliche Sportlerin und frischgebackene Staatsmeisterin im Paraski Alpin Slalom. Darüber hinaus setzt sie sich für Inklusion ein und engagiert sich in verschiedenen Projekten. Im Interview mit Christina Obwexer habe ich mehr über ihre beeindruckende Lebensgeschichte und ihre Herzensprojekte erfahren.

Ein Interview mit einer Frau, die Mut macht

Hallo Christina, schön, dass du hier bist! Wir kennen uns ja schon länger – ich durfte vor vielen Jahren mein Praktikum in deinem Elternhaus, dem Genießerhotel Rauter, in Matrei in Osttirol absolvieren. Umso mehr freut es mich, heute mit dir über deinen Werdegang und deine inspirierenden Projekte zu sprechen.

Christina: Hallo, danke für die Einladung! Ja, das ist echt schon eine Weile her. Es freut mich sehr, dass wir heute zusammensitzen und ich über mich und meine Herzensprojekte erzählen darf.

Christina, du hattest vor 20 Jahren einen Autounfall, der dein Leben auf den Kopf gestellt hat. Was hat dir damals geholfen, neuen Lebensmut zu fassen?

Damals, vor 20 Jahren, als ich in den Rollstuhl kam, war das natürlich nicht einfach. Für mich war es am wichtigsten, wieder in die Berge zu kommen – dorthin, wo ich mich am wohlsten fühle. Mein Vater kam ziemlich schnell mit einem Prospekt über das Monoskifahren zu mir. Dabei sitzt man in einem speziellen Skibob mit nur einem Ski darunter und steuert mit kleinen Stöcken, die wie Miniski aussehen! Nur neun Monate später nahm ich an einem Mono-Skikurs teil und bekam sogar ein Handbike geschenkt. Damit kann man wie mit einem Fahrrad fahren, nur dass man mit den Armen tritt. So konnte ich wieder in die Berge – das hat mir unglaublich viel Kraft gegeben hat. Außerdem habe ich eine tolle Familie und Freunde, die immer hinter mir standen.

Die Interview-Partnerin und Athletin Christina Obwexer im Skigebiet mit Blick auf den Großglockner
Christina unterwegs im Skigebiet mit Blick auf den Großglockner

Das klingt wirklich inspirierend, Christina. Wo in Osttirol gehst du am liebsten Monoskifahren und Handbiken? Gibt es bestimmte Strecken oder Gebiete, die du besonders gerne magst?

Ganz klar, als Matreierin ist mein Lieblingsskigebiet das Großglockner Resort Kals-Matrei. Ich liebe den Blick auf den Großglockner und die Venedigergruppe. Durch das Monoskifahren bin ich in vielen Skigebieten unterwegs – aber ein so schönes Panorama wie hier gibt es nur selten. Die Pisten sind perfekt präpariert und der viele Platz gibt mir ein Gefühl von Freiheit. Auch im Sommer ist das mein Lieblingsberg. Der Sonnenuntergang hier ist einfach traumhaft – und als Rollstuhlfahrer:in hat man nicht oft die Möglichkeit, einen schönen Sonnenuntergang in den Bergen zu sehen. Ich fahre auch sehr gerne mit dem Rad in Richtung Tauernhaus zum Grünsee hinter dem Felbertauern hinauf und genieße dort den Blick auf den Großvenediger.

Interview: Die Athletin Christina Obwexer trainiert fleißig für ihre Paraski-Rennen
Im Fitnessstudio bereitet sich Christina gezielt auf ihre Paraski-Rennen vor
Athletin Christina Obwexer in voller Geschwindigkeit
Volle Geschwindigkeit auf einem Ski: Christina beim Rennen auf ihrem Monoski
Christina Obwexer ist nun Staatsmeisterin im Paraski Alpin Slalom
Staatsmeisterin im Paraski Alpin Slalom

Einblick in die Herzensprojekte von Christina Obwexer

Du bist Mitbegründerin der „Schneeschmelzgaudi“. Was steckt hinter diesem Verein?

Die Schneeschmelzgaudi ist ein Herzensprojekt von mir und neun weiteren Freunden. Wir wollten etwas auf die Beine stellen, wo wir durch die Unterstützung von Sponsor:innen und Gönner:innen, Menschen in schwierigen Situationen helfen und gleichzeitig das Bewusstsein für Inklusion stärken können. Jedes Jahr organisieren wir ein großes Event, bei dem wir zeigen, dass Miteinander alles möglich ist – egal, ob mit oder ohne Behinderung: Alle gehen gemeinsam Skifahren.

Du engagierst dich auch bei „Auf den zweiten Blick“. Was möchtest du mit diesem Projekt erreichen?

Mit dem Projekt habe ich schon viel erreicht – vor allem, dass Menschen mit Behinderung als das gesehen werden, was sie sind: Menschen. Zum Beispiel, wenn ich zu einem Vorstellungsgespräch gehe, sage ich nicht: „Ich bin Christina Obwexer im Rollstuhl“. Trotzdem spüre ich beim ersten Blick oft das Erschrecken meines Gegenübers – wegen des Rollstuhls. Deshalb braucht es fast immer einen zweiten Eindruck, den sprichwörtlichen „zweiten Blick“, um mich wirklich kennenzulernen – so, wie ich bin.

Mit „Auf den zweiten Blick“ zeigen wir echte Geschichten und echte, authentische Menschen. Es geht um Sichtbarkeit und darum, ein neues Bild von Behinderung in der Gesellschaft zu verankern. Ein Beispiel dafür ist Lukas Müller, der nach einem Unfall beim Skispringen in den Rollstuhl gekommen ist. Wir zeigen ihn unter Wasser, wo er sich wieder aufrichten kann, mit seinen Skiern in der Hand. Wir wollen Barrieren in den Köpfen abbauen. Behinderung ist oft ein Tabuthema, dabei sind wir genauso lebensfroh und facettenreich wie alle anderen auch.

Mit welchen Herausforderungen bist du im Alltag konfrontiert?

Natürlich gibt es bauliche Barrieren, die den Alltag erschweren. Aber man darf keine Scheu haben, um um Hilfe zu fragen – aus meiner Erfahrung wird immer geholfen, wenn man darum bittet. Auch unter Rollstuhlfahrer:innen gibt es „unsympathische“ Menschen, und mit diesen muss man genauso umgehen wie mit allen anderen. Wir wollen kein Mitleid, sondern Akzeptanz. Aus diesem Grund bin ich auch viel in Schulen unterwegs, um Aufklärungsarbeit zu leisten und ein besseres Verständnis zu fördern.

Matrei in Osttirol – Christina Obwexers Heimat und Inspirationsquelle
Matrei in Osttirol – Christina Obwexers Heimat und Inspirationsquelle

Christina Obwexer über ihre Heimat Osttirol

Was macht Matrei in Osttirol für dich besonders?

Matrei ist meine Heimat – hier bin ich aufgewachsen und hier finde ich meinen Rückhalt bei meiner Familie und meinen Freunden. Obwohl ich viel unterwegs bin, freue ich mich jedes Mal, nach Hause zu kommen. Ich genieße die Berge und die vier Jahreszeiten, die diese Region so einzigartig machen.

Der Tourismusverband Osttirol unterstützt dich als Sportlerin. Wie wichtig ist diese Unterstützung für dich, und inwiefern trägt sie zu deinen Erfolgen bei?

Die Unterstützung bedeutet mir extrem viel. Ich bin sehr stolz, dass mich meine Heimat Osttirol unterstützt. Es ist für mich nicht nur finanzielle Hilfe, sondern vor allem das Gefühl, dass ganz Osttirol hinter mir steht. Das motiviert mich enorm und gibt mir sehr viel Kraft.

Welchen Stellenwert nimmt das Thema „Berg“ in deinem Leben ein?

Einen riesengroßen Stellenwert! Ich bin auch mal gerne am Meer, aber ich brauche den Berg. Ohne ihn könnte ich meine ganzen sportlichen Aktivitäten gar nicht ausführen. Ganz hinauf komme ich leider nicht, aber die Berge sind für mich einfach essenziell für mein Wohlbefinden.

Hast du jemals an einen Umzug in eine Großstadt gedacht?

„Nein“. (Lachpause). Ich habe zwar eine Zeit lang in Innsbruck gelebt, aber das würde ich jetzt nicht wirklich als Großstadt bezeichnen. Ich mag Städte zwar gerne, aber für meine Aktivitäten brauche ich die Natur um mich herum. Da bekomme ich viel mehr Lust, rauszugehen.

Warum hast du dich für Osttirol entschieden?

Meine Eltern haben sich für Osttirol entschieden. Ich bin da aufgewachsen und bin sehr heimatverbunden. Daher habe ich auch für mich beschlossen hier zu bleiben. Das ist meine Basis.

Was bedeutet Osttirol für dich, gib mir 3 Schlagworte.

Ursprünglicher, authentischer Geheimtipp.

Welche Ziele hast du für die Zukunft?

Ich spreche lieber nicht nur von Zielen, sondern von Visionen. Als Monoskifahrerin bin ich im Para-Skisport sehr aktiv. Klar, die Paralympics stehen vor der Tür – und die waren immer ein großer Traum von mir. Jetzt bin ich dabei, Punkte zu sammeln. Das ist definitiv ein Ziel von mir. Wenn es klappt, werde ich unglaublich stolz sein und mich riesig darüber freuen. Wenn es nicht klappt, gibt es vielleicht noch eine weitere Gelegenheit.“

Zum Abschluss: Was möchtest du unseren Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben?

Ich hoffe, dass jeder schätzt, dass er in Osttirol leben darf. Wenn man nur ein wenig hinausblickt und die Augen und Ohren öffnet, wird man erkennen, dass wir hier an einem extrem geschützten Ort wohnen – für mich ist Osttirol nach wie vor ein Geheimtipp. Viele wissen gar nicht, wie schön es hier ist. Vielleicht sollte man einfach öfter innehalten und sich bewusst machen, was wir hier haben, statt sich über Kleinigkeiten zu beschweren.

Danke, Christina, für das interessante Gespräch! Es hat mich sehr gefreut. Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg mit deinen Projekten und hoffen, dass deine Geschichte viele Menschen ermutigt.

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Eva
Eva
15. April 2025 16:17

Top, top, top 🔝 die bestä 🙂

Hermann Berger
Hermann Berger
15. April 2025 14:05

Christina, Du bist eine besonders bewundernswerte Frau! Wünsche Dir alles Gute für Deine Visionen und Ziele👍🌞😘

Christina
Christina
15. April 2025 13:45

So eine vielseitige und lebensbejahende junge Frau unendlich viel Energie und Tatendrang. Bewundernswert!!!!!