Eine Liebeserklärung an Osttirol und die Osttiroler. Von Servus-Autorin Uschi Korda.
Was wäre, wenn Albert Uderzo und René Goscinny, die französischen Väter von „Asterix und Obelix“, Österreicher gewesen wären? Hmmm, sagen Sie jetzt vielleicht. Ganz einfach, antworte ich: Dann wäre das kleine gallische Dorf voller liebenswerter, aber recht eigensinniger Charaktere mit Sicherheit Osttirol gewesen. Die kleine Tiroler Exklave klebt am südwestlichsten Zipfel Österreichs – von Nordtirol durch den Pinzgau, von Südtirol und Venetien durch eine Staatsgrenze getrennt, entwickelte sich in dieser Abgeschiedenheit eine Kultur, die stark von Autarkie und Nachbarschaftshilfe geprägt ist. In der es zwar oft hitzige Streitereien gab und gibt, letztendlich aber alle gemeinsam an einem Strang ziehen.
Die Fingerspitzen von Daumen, Zeige- und Mittelfinger zusammengepresst und himmelwärts gehalten, dann den Arm vom Kinn Richtung Tischplatte runtergeschnalzt – das war das erste Mal, wie mir ein Osttiroler mit einer Handbewegung versucht hat, den Charakter seiner Landsleute zu erklären. Gerade, ehrlich, mit einem ordentlichen Quantum Sturschädel ausgestattet, sollte das heißen, und weil das mit der linken Hand ausgeführt wurde, war auch eine große Portion Herz dabei. Es war vermutlich der Moment, in dem ich mich in diesen Flecken Erde verliebt habe.
Ein Flecken, in dem die imposante Bergwelt ihre Gipfel zwar mächtig in den Himmel reckt, aber die meisten Täler in sicherer Entfernung umkränzt, sodass sie nicht allzu lange dunkle Schatten werfen. Das Villgratental zum Beispiel, ein Hochtal, in dem sich auch im Winter ein paar Sonnenstunden täglich ausgehen. Auch das Defereggental ist, abgesehen von ein paar Engstellen, von großzügiger Weitläufigkeit, so wie Kals, von wo man den Aufstieg auf Österreichs höchsten Berg, den Großglockner (3.798 m), angehen kann.
Man kann den Osttirolern Rauheit und Verwegenheit nachsagen, die Wilden hinterm Berg oder gar hinterwäldlerisch sind sie nicht. Im Gegenteil, manch hartnäckiger Kampf gegen Obrigkeit und Zeitgeist hat sich im Nachhinein als beinahe prophetischer Weitblick erwiesen. So waren es zum Beispiel die Kalser Frauen, die vor dreißig Jahren ein gigantisches Kraftwerk verhinderten, bei dem das Dorfertal als Wanderparadies und dazu gleich 17 sprudelnde Bäche verloren gegangen wären. Inklusive der Isel, eines der letzten unverbauten Gletscherflüsse der Alpen.
Knapp ein Drittel von Osttirol gehört heute zum Nationalpark Hohe Tauern, was eine intakte Natur garantiert, mit der man aber jahrelang nicht so wirklich Geld machen konnte. Ein klein wenig neidisch schielte man nach Nord- und Südtirol oder Kärnten, wo riesige Skischaukeln entstanden und alle den großen Profit vor Augen hatten. Die Osttiroler aber waren schlau genug, den sirenenhaften Einflüsterungen zu misstrauen. Die Verwandlung vom Bauern zum Liftburschen widersprach dem hier herrschenden Freigeist.

Natürlich krachten die Meinungen ordentlich aufeinander, auch innerhalb von Familien. Den Ausverkauf ihrer Landschaft aber haben sich die Osttiroler erspart. Es gibt ein paar kleine, aber anspruchsvolle Skigebiete, so gut wie kein lärmendes Après-Ski, es gibt nur Natur. Und das in einer unaufdringlichen Grandezza, die einem den Atem raubt. In solch beinahe klischeehafter Schönheit kennt man das Bergland sonst nur noch aus dem Heimatfilm.
Im Virgental zum Beispiel kleben uralte Gehöfte wie Adlerhorste an den steilen Mähdern und haben die Zeiten an sich vorüberziehen lassen. Unbeeindruckt und stolz, weil die Altvorderen schon wussten, wo sie was hin bauen können ohne Lawinen- oder Hochwassergefahr. Wie einst wird in den Sommern das Bergheu hoch droben mit der Sense gemäht, um im Winter auf Holzkufen gebündelt in wilden Höllenritten ins Tal geführt zu werden. Fürs Vieh und weil es anders kaum gehen würde, auf keinen Fall aber als Attraktion für Touristen, die als Zaungäste unerwünscht sind.

Ansonsten wird der Gast auf Händen getragen, weil alle, die diesen besonderen Flecken entdecken, das Besondere lieben. Das Ruhige, das Stille, das Unverbrauchte. Und das Ehrliche, in dem eine große Portion Herz steckt.
USCHI KORDA:
Die Autorin des Magazins „Servus in Stadt & Land“ schreibt seit vielen Jahren Geschichten über Osttirol und stillt so ihre Sehnsucht nach unberührter Bergwelt.
Titelbild: W9 Studio
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