Eine meiner letzten Herbstwanderungen führt mich in das wunderschöne Defereggental, genauer gesagt, in den hinteren Teil des Tales, nach Oberhaus. Am Talschluss befindet sich nämlich ein ganz besonderes „Fleckchen Erde“ – der Oberhauser Zirbenwald. Begleitet von meiner Mama Fernanda und meiner Großtante Anna, will ich mehr über die Faszination dieses einzigartigen Waldes erfahren.

Es ist Mitte Oktober. Der erste Schnee glänzt bereits von den Berggipfeln und der Oberhauser Zirbenwald strahlt in einem goldgelben Schimmer. An vereinzelten Stellen des Lehrweges nimmt man noch den Duft der abreifenden Zirbennussen wahr.

Ausgangspunkt unserer kleinen Wanderung ist der Alpengasthof Oberhaus.

Natur- und Kulturlehrweg Oberhauser Zirbenwald
Direkt beim Alpengasthof Oberhaus startet unsere gemütliche Wanderung. Der Natur- und Kulturlehrweg Oberhauser Zirbenwald, umfasst das Naturbild der Osttiroler Alpen ebenso wie das Ökosystem vor Ort. Neun Stationen, welche am Rundwanderweg eingerichtet worden sind, stellen die malerische Herbstlandschaft näher vor. Der Lehrpfad befindet sich auf einer Höhe von beachtlichen 1.770 Metern. Die Länge beträgt ca. 1,5 km und die Gehzeit variiert zwischen ½ Stunde bis 1 Stunde.

Da meine Großtante, aufgrund ihres Alters im Rollstuhl sitzt und auf Hilfe angewiesen ist, trennen sich bereits unsere Wege am Ausgangspunkt. Der halbe Rundwanderweg ist für sie dennoch kein Problem, da es kaum Höhenunterschiede auf dieser Strecke gibt. Die beiden Frauen wandern über den sehr gut erhaltenen Forstweg Richtung Talschluss. Mein Weg hingegen beginnt bereits etwas spannend mit den ersten Lehrwegtafeln.




Lehrtafeln
- Die Vogelwelt des Lärchen- Zirbenwaldes
- Lawinengassen
- Traditionelle Almwirtschaft
- Europas größter länderübergreifender Schutzgebietsverbund
- Der Oberhauser Zirbenwald
- Die Begleitflora des Lärchen- Zirbenwaldes
- Lebensgemeinschaft Gebirgsbach
- Natürlicher Abbau von Totholz
- Der Gebirgsbach- (Er-)Lebensader eines Alpentales
Der Oberhauser Zirbenwald – eine Rarität in den Hohen Tauern
Der Oberhauser Zirbenwald ist mit einer Größe von 275 ha Ausdehnung einer der größten geschlossenen Bestände in den Ostalpen und damit auch Rekordhalter im gesamten Alpenraum. Nicht nur aufgrund seiner Größe, sondern vielmehr wegen der vielen unterschiedlichen Strukturen und vor allem der natürlichen Nachhaltigkeit, bin ich fasziniert und weckt Interesse mehr über diesen besonderen Wald zu erfahren. Die gute Anpassungsfähigkeit, der geringe Anspruch an den Boden und Untergrund sowie eine enge Lebensgemeinschaft mit dem Tannenhäher haben über einen langen Zeitraum die natürliche Verbreitung der Zirbe in dieser Extremlage begünstigt.

Der Lärchen – Zirbenwald ist in dieser Jahreszeit natürlich besonders schön anzuschauen, da sich im Oktober die Lärchen in ein goldgelb und die Zirben in ein tiefes dunkelgrün hüllen. Die felsigen Aufbauten der Berggipfel, die in dieser Zeit bereits leicht mit Schnee „angezuckert“ sind, untermalen dieses einzigartige Bild einer herbstlichen Idylle. Ein Gefühl der Geborgenheit und der Ruhe macht sich bei mir bemerkbar, aber auch ein wenig Unheimliches kommt auf, wenn der Tannenhäher laut aus dem Dickicht grätscht.



Der Tannenhäher im Oberhauser Zirbenwald
Die „Gregge“, wie der Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes) im Deferegger Volksmund auch genannt wird, ist ein besonderer Helfer bei der Verbreitung der Zirbe in diesem Gebiet. Eine natürliche Verbreitung durch den Wind ist aufgrund der Größe und des Gewichtes einer Zirbennuss nicht möglich. Eine Streuung dieser kostbaren Samen ohne tierische Hilfe wäre also nur hangabwärts möglich. Der fleißige und zugleich sehr intelligente Rabenvogel frisst die Samen der Zirbe nicht sofort, sondern legt Nahrungsdepots für den Winter an.

Diese Vorratslager eines einzelnen „Zirbenpflanzers“ beinhaltet insgesamt bis zu 100.000 Zirbennüsschen, verteilt in vielen Portionen zu ca. 10 bis 50 Stück pro Versteck. Manchmal kommt es vor, dass dieser schlaue Vogel manche seiner Vorräte unter der Schneedecke nicht mehr wiederfindet und so entstehen kleine Gruppen von Zirben weit um den Standort des Mutterbaumes. Die „Gregge“ im Oberhauser Zirbenwald ist der„geflügelter Förster“ in diesem Gebiet.




Die Zirbe – die Königin der Alpen
Der Oberhauser Zirbenwald ist nicht nur mit seinem zusammenhängenden Zirbenbestand der größte seiner Art im gesamten Alpenraum, sondern er beherbergt auch die Königin der Alpen selbst in Hülle und Fülle – die Zirbe (Pinus cembra). Diese immergrüne Nadelbaumart wächst äußerst langsam und einzelne Individuen können bis zu 1000 Jahre alt werden. Trotz der hohen Lage des Oberhauser Zirbenwaldes auf 1.770 Metern und seinen enorm tiefen winterlichen Temperaturen erfrieren die Zirben in diesem Gebiet nicht. Man spricht hier vielmehr vom Verdursten.


Begleitet wird die Zirbe im Oberhauser Zirbenwald von der ebenfalls sehr widerstandsfähigen Lärche (Larix decidua). Als einzige heimische Nadelbaumart wirft die Lärche ihre Nadeln im Spätherbst ab, um im Winter besser an die kalten Temperaturen angepasst zu sein.


Geheimtipp im Oberhauser Zirbenwald
Um Besucherinnen und Besuchern des Nationalparks Hohe Tauern ein einzigartiges Naturerlebnis zu ermöglichen, entstand am Rundwanderweg ein über 20 Meter hoher Wildtierbeobachtungsturm. Wildtiere gibt es nämlich im Oberhauser Zirbenwald genügend. Angefangen vom kleinsten Käfer, über Amphibien bis hin zu imposantem Rotwild und Greifvögeln.





Mein Fazit zum Oberhauser Zirbenwald. Es ist und bleibt ein besonders „Fleckchen Erde“. Nicht nur wegen der Landschaft und dem magischen Flair im Herbst, sondern auch aufgrund der vielen verschiedenen Ökosystemen, welche hier aufeinander treffen. Diese Eigenschaften aus malerischer Kulisse und Lebensraum diverser Tier- und Pflanzenarten machen den Oberhauser Zirbenwald so besonders.
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