Was haben die Widderprozession nach Obermauern, das Erfahrungswissen im Umgang mit der Lawinengefahr, die Flurnamen des Bundeslandes Tirol, das Sternsingen im Villgratental und neuerdings das Scheibenschlagen in der Venedigergemeinde Prägraten gemeinsam? Sie alle sind Teil der Wertegemeinschaft „immaterielles Kulturerbe im Sinne der UNESCO“. Schon 2003 beschloss die UNESCO ein Übereinkommen zur Wahrung des nationalen, immateriellen Kulturerbe. 2009 wurde dieses Übereinkommen in einem völkerrechtlichen Vertrag ratifiziert.
Der Österreichischen UNESCO Nationalkommission ist bei der Beurteilung der Einreichungen sehr wichtig, dass diese Bestandteile der Kultur von einer Generation an die nächste weitergegeben werden. Das Spektrum kann tradierte Künste, Praktiken, Rituale, Feste, Ausdrucksformen, Dialekte, Erfahrungswissen, Handwerksfertigkeiten u.v.m. umfassen. Die Ausübung hat dabei ethischen Grundsätzen und gültigen Rechtsvorschriften zu unterliegen.


Scheibenschlagen in Tirol
Seit 2015 ist das Scheibenschlagen in Südvorarlberg bei der Österreichischen UNESCO Nationalkommission gelistet. Während zu Beginn des 20. Jahrhundert noch in mehreren Orten Tirols der Brauch des Scheibenschlagens durchgeführt wurde, sind es mittlerweile nur mehr 11 Gemeinden. Unter Federführung der Feuerwehr Pettneu am Arlberg und des Ethnologen Karl C. Berger wurde diese – bereits in Vorarlberg bestehende – Eintragung 2022 auf weitere 11 Gemeinden in Tirol unter anderem auch auf die Gemeinde Prägraten am Großvenediger ausgeweitet.
Lebendiges Brauchtum in Prägraten am Großvenediger
Traditionell startet man in Prägraten am 23. Juni (Johannisabend) mit dem Brauch, am 24. Juni (Johannistag), 28. Juni (Peter und Pauls-Abend) und am 29. Juni (Peter und Pauls-Tag) folgen Wiederholungen. Die Tage davor beginnen die Vorbereitungen. Die Scheiben sind quadratische Fichtenbretter ca. 12 x 12 Zentimeter. Die Ränder sind schräg zuschnitten. Zentrisch werden Löcher gebohrt. Die Wachtler aus Erlenstöcken werden geschnitten und im Trog gewassert, sprich „linde“, also biegsam und geschmeidig gemacht.




Alles fiebert auf den 23. Juni hin. Dann endlich erleuchten auf den talnahen Hügeln, den „Eggelan“, die Feuer. Pünktlich ums Dunkelwerden ist nur mehr die Glut in den Feuern, also ideale Voraussetzungen. Die Scheiben werden an die Wachtler gesteckt und in der Feuersglut gebraten. Dann wird die Scheibe am Wachtler getrieben und nach vorne weg geschlagen. Weit hörbar ertönen die Juchetzer, immer ein Zeichen, dass wieder einmal eine Scheibe besonders gut geflogen ist. Der fröhliche Reigen wird mit dem Schlagen der Nachtscheibe beendet. Meistens rollt dieses überdimensionierte Ding (ca. 30 x 30 Zentimeter) aber nur den Abhang hinunter.


Ehemals war das Scheibenschlagen mehr oder weniger ein reiner Burschenbrauch. In der Zwischenzeit hat sich dieses Brauchtum zu einem echten Familienereignis entwickelt. Man trifft sich immer in der Gruppe, sei es die Nachbarschaft, seien es Vereine, seien es Freundeskreise, jedenfalls Alt und Jung. Lebendiges Brauchtum ist wandlungs- und anpassungsfähig.

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Nachdem das Scheibenschlagen 2022 zum immaterielle Kulturerbe erhoben wurde, durfte ich heuer (2023) von der „Scheibenschläger Hochburg“ Landeck erstmals das Scheibenschlagen in Bobojach miterleben. Ein interessantes Erlebnis, was da die Prädiger veranstalten. Ganz anders als in Landeck, schlägt in Bobojach vom kleinsten Kind, junge Erwachsene, Frauen und Männer jeden Alters die glühende Scheiben ins Tal.
Mit diesem Eifer bleibt Brauchtum erhalten.
Bravo👍👏
Lieber Wolfgang, schön, dass du bei dieses Jahr beim Scheibenschlagen dabei gewesen bist und dass es dir so gefallen hat – genau so soll es sein ❤️🔥 🤗
Liebe Grüße, dein Osttirol Team
Dieses Brauchtum verdient es behütet und in die Zukunft weiter getragen zu werden. 🙂
Mit freundlichen Grüßen
Lieber Anton, danke für dein Feedback – das sehen wir genau so. 🤗